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Beobachtungen ... ohne Kaffee

Rot wie die Liebe

Rot, wie die Liebe -
Rot wie die Liebe … Foto Doris Behm

In der Gosse

Weggeworfen. Achtlos. Ich hab mich schon an vielen Kaffeebechern festgehalten. Trennungsgespräche. Belehrungsgespräche. Vorstellungsgespräche. Unsicherheit kompensiert mit dem Griff um etwas Handfestes, an dem ich zugleich nippen konnte.

Jetzt liegt der Becher auf der Straße.

Weggeworfen. Achtlos. Als wäre er Müll. Dabei hat er eine Geschichte zu erzählen. Hat er auch einmal jemanden gewärmt. Das nehme ich jedenfalls an.

Haben sie ihren Zweck erfüllt, wandern die Dinge in den Mülleimer, auf die Straße, in den Rinnstein. Gosse sagte man früher dazu.

Je mehr ich dich ansehe, desto mehr regt sich in mir das Bedürfnis, dich aufzuheben. Denn du bist es wert. Du bist immer noch Wert-Stoff.

(Dagmar Petrick)

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Beobachtungen ... ohne Kaffee

Schöne Aussichten

Schöne Aussichten … Foto Doris Behm

Pfirsiche

Und dann hat er doch tatsächlich, als er nicht mehr wollte, die leere Dose neben die Bank geworfen und ist gegangen, immer fort, immer weiter, bis die Straße aufhörte. Im Nirgendwo.

(Dagmar Petrick)

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Beobachtungen ... ohne Kaffee

Das Pfand in meiner Hand

Das Pfand in meiner Hand … Foto Doris Behm

Voll daneben ist auch vorbei

„Aber so war das doch nicht gemeint!“

Insa riss den linken Arm hoch in einer beschwichtigenden Abwehrbewegung, die Hand flach nach vorn gestreckt, als wollte sie Fabian wegdrücken. Oder streicheln. Es kam vermutlich darauf an, von welchem Blickwinkel aus man die Lage betrachtete, welchen Standpunkt man einnahm. Aber wie auch immer Insas Haltung zu deuten war und selbst wenn zutraf, dass sie nichts weiter als den Versuch darstellte, Fabian festzuhalten (was nicht zutraf), war es ohnehin zu spät: Fabian war längst fort. Er hatte sich umgedreht und war gegangen, wutschnaubend gegangen, wobei er wie so oft das letzte Wort behielt. Nicht einmal die winzige Zeitspanne, die es gebraucht hätte, um das Gesagte noch einmal darzulegen, mit anderen Worten, gönnte er ihr. Fabian ließ sie stehen und da stand sie nun. Insa senkte den Arm, der oben in der Luft keinen Zweck mehr erfüllte. Klatschend schlug ihre Hand auf den Oberschenkel, der Arm baumelte sinnlos daneben. Neben ihr, nicht an ihr. Da liegst du voll daneben mit dem Müll, den du redest!, hatte Fabian geschnaubt, als wäre immer sie diejenige, die alles falsch verstand, es in den falschen Hals bekam, wenn sie miteinander redeten. Insa kicherte. Was für eine Redewendung! Als besäßen Menschen zwei Hälse, in die die Worte hineinfielen, wo sie entweder in die eine oder in die andere Richtung rutschten, bei ihr natürlich grundsätzlich in die falsche, wovon Fabian auszugehen schien, womit er freilich selbst am weitesten daneben lag. Zu einem Gespräch gehörten schließlich immer zwei, sogar ein nüchterner Kopf, wie er Fabian auf seinen doppelten Hälsen baumelte, müsste das doch einsehen. Sie hätte es ihm gern gesagt, aber das ging nicht, er war ja bereits fort. Schon klar: Voll daneben ist eben auch vorbei.

Insa fand das verwunderlich, hatte sie doch stets geglaubt, man könne sich verständigen, wenn man es versuchte. Das Allerverwunderliche bestand freilich darin, dass Insa, lange nachdem sie sich von Fabian getrennt hatte und mit Luise zusammenlebte, genau das Gleiche sagen konnte wie einst zu Fabian und Luise es nie in den falschen Hals bekam, weder in den linken noch in den rechten noch sonst wohin. Fragte Insa dann einigermaßen verblüfft, ob Luise nicht dächte, sie läge wieder voll daneben oder redete Müll, wie Fabian es ihr vorgeworfen hatte, bekam Luise diesen unverständig-glasigen Gesichtsausdruck, bei dessen Anblick Insa umgehend begriff, dass sie solche Fragen, die letztlich nur dem Zweifel an ihr selbst entsprangen, künftig getrost bleiben lassen konnte. Denn wenn Luise auch sonst das meiste, wovon Insa sprach, augenblicklich verstand, für diese Art von Fragen – die Luise freilich als Selbstbezichtigungen bezeichnete – fehlte ihr schlichtweg das Verständnis. Du und ich, wir sind in den Worten unterwegs, sagte sie. Wie kannst du sie da für Müll halten, wo sie doch so wertvoll sind?

Das leuchtete Insa ein. Darum verfolgt sie seitdem eine Angewohnheit, weil sie es nicht vergessen will: Sie bringt die Flaschen, die sie leergetrunken hat, nicht zurück in den Laden, wo sie Pfand dafür bekommen könnte. Sie trägt sie in den Park und stellt sie neben die Mülltonnen, damit ein anderer sie findet, jemand, der größeren Nutzen davon hat. Denn eins ist ihr inzwischen klar geworden: Was dem einen als Müll erscheint, ist des anderen Schatz.

Manchmal denkt sie dann an Fabian. Aber nur selten. Und irgendwann vergisst sie ihn ganz.

(Dagmar Petrick)

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Maske im Regen

Maske im Regen … Foto Doris Behm

Vignette vom Tag – Masken vorm Gesicht

Du sagst dies.

Ich sage das.

Ich sehe dich nicht.

Du siehst mich nicht.

Wir sind Spieler in einem Marionettentheater. Wir ziehen unsere Figuren über ein Schachbrett, als könnten wir den nächsten Zug berechnen, den zwölften, den dreizehnten, alle im Voraus. Natürlich stets zum eigenen Vorteil.

Du siehst mich nicht.

Ich sehe dich nicht.

Leg deine Maske ab!

Leg sie vor dir auf das Pflaster.

Wo der Regen sie tränkt.

Bis er die Konturen verwischt.

Wir klarer sehen, wenn wir aufblicken.

Mit geöffneten Augen.

Einander ins Gesicht.

(Dagmar Petrick)