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Beobachtungen ... ohne Kaffee

Maske im Regen

Maske im Regen … Foto Doris Behm

Vignette vom Tag – Masken vorm Gesicht

Du sagst dies.

Ich sage das.

Ich sehe dich nicht.

Du siehst mich nicht.

Wir sind Spieler in einem Marionettentheater. Wir ziehen unsere Figuren über ein Schachbrett, als könnten wir den nächsten Zug berechnen, den zwölften, den dreizehnten, alle im Voraus. Natürlich stets zum eigenen Vorteil.

Du siehst mich nicht.

Ich sehe dich nicht.

Leg deine Maske ab!

Leg sie vor dir auf das Pflaster.

Wo der Regen sie tränkt.

Bis er die Konturen verwischt.

Wir klarer sehen, wenn wir aufblicken.

Mit geöffneten Augen.

Einander ins Gesicht.

(Dagmar Petrick)

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Beobachtungen ... ohne Kaffee

Pflegekraft 2020

Pflegekraft 2020 … Foto Doris Behm

Azubi

Hat sich dir erst

jener feine scharfe Riss ins Herz gesetzt,

hörst du nicht auf

zu suchen.

Kopftuchbewehrt

spannst du den Muskel.

Dein Blick, nach vorne gewandt,

blitzt voller Trotz.

Du packst es an.

Ich wünsch dir,

dass es gelingt.

Dass du

Zukunft

hast.

(Dagmar Petrick)

Gerne

Ich wäre auch gern so eine. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das habe ich früher oft gehört. Ist es darum schon zu spät? Während ich meiner Arbeit nachgehe, lerne ich. Bei mir bedeutet das, dass ich schreibe. Während ich schreibe, lerne ich schreiben. Schreibend eröffnen sich mir neue Räume, die ich vorher noch nicht sah: Im Fenster ein Haus, über dem Haus wölbt sich der Himmel, daneben wächst gespiegelt ein Baum. In seinem Schatten spannt sich der Muskel: Azubis gesucht! Ich wäre auch gern so eine, die es beherzt angeht, mutig zupackt. Stattdessen schaue ich janusköpfig vor und zurück zugleich. Doch etliches erkenne ich nicht einmal, wenn ich meine Nase noch so oft darüber halte. Das geht auch nicht. Die Konturen verwischen, die Wolken verändern ihre Gestalt, mal sind sie Schäfchen, dann Luftschlösser. Die Sonne zieht weiter, legt ihren Schatten über die Hausdächer und Fensterscheiben. Schon wandelt sich das Bild, und alles beginnt wieder von vorn.

(Dagmar Petrick)

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Das Blaue vom Himmel

Das Blaue vom Himmel … Foto Doris Behm

Blaupause in Arizona

In Arizona bin ich schon gewesen.

Damals fuhr ich durch die Wüste. In der Wüste lebten die Indianer. Obwohl sie sich selbst nicht Indianer nennen, schließlich sind sie Amerikas Ureinwohner, ehe ihnen das Land weggenommen wurde. Und was gab man ihnen stattdessen? Eine Handvoll Staub. Der rieselte mir durch die Finger, als ich mich bückte und zwischen den kärglichen Grasbüscheln eine Menge Müll bemerkte, darunter etliche Flaschen, allerdings keine aus Plastik, auf der der Schriftzug Arizona prangt wie die Verheißung einer fernen Zukunft, dazu noch als Geschmacksnote Blaubeeren, die an ein längst vergangenes Kindheitsglücks erinnern. Das Arizona, das ich traf, war anders, als ich es mir ausgemalt hatte daheim über meinen faltenlosen Karten, die von unberührter Landschaft und den Filmen und Abenteuerbüchern, die von grenzenloser Freiheit erzählten. Dieses Arizona war grauer, rauer, war kurzum: ohne jede Illusion, und in der Flasche, an der ich meinen Fuß gestoßen hatte, hatte niemals süße klebrige Limonade geschwappt, sondern Bier. Was soll man auch anderes trinken unter einem solch weiten wolkenlosen Arizonahimmel, von dem alles Blaue heruntergelogen wurde, bis rein gar nichts mehr nach Blaubeeren schmeckt?

(Dagmar Petrick)